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Einladung zum Perspektivwechsel – Die Q2a besucht die Ausstellung „Ostwind“ des deutsch-syrischen Künstlers Manaf Halbouni


„Ich bin Syrer, ich bin Deutscher und Dresdner, aber unabhängig davon bin ich Künstler. Ich spreche die Sprache der Kunst. Deshalb kann nur diese für mich sprechen.“

Mit diesen Worten stellt sich Manaf Halbouni auf seiner Website vor. Der 1984 in Damaskus geborene und aufgewachsene Künstler mit deutscher Mutter zog zum Kunststudium nach Dresden. Der Bürgerkrieg hindert ihn daran, in seinem Geburtsort zu leben. Das Thema Heimat ist eines seiner wichtigsten in der Ausstellung „Ostwind“ im St Annen Museum.

Die Q2a hatte sich im Wirtschaft/Politik-Unterricht mit dem syrischen Bürgerkrieg beschäftigt. Am 27.10. ergriffen die Schülerinnen und Schüler die Chance, sich mit dem Werk Manaf Halbounis auseinanderzusetzen.

Das Flugzeug vor dem Holstentor trägt die Aufschrift „GO HOME“. Noch ist das Bild eine Fotomontage, das fremdenfeindliche Einstellungen in unserer Gesellschaft thematisiert. Es könnte aber bald Wirklichkeit werden, denn die Besucher werden in der Ausstellung „Ostwind“ aufgefordert, mit farbigen Karten abzustimmen, ob sie sich eine Realisierung des Projektes wünschen.

Beton und Stahl sind bevorzugte Materialien Manaf Halbounis. In der Kunsthalle St Annen, die über der ehemaligen Klosterkirche errichtet wurde, stehen drei in Beton gefasste Kirchenfenster. Die verbogenen Streben des Stahlgerüsts bilden eine Art Gitter um und vor den Glasfenstern. Sie schützen sie und halten den Betrachter auf Abstand. „Fragments“ sind diese Arbeiten betitelt. Sie verweisen darauf, dass der christliche Glauben, Fundament der westlichen Kultur, bröckelt und zerfällt. Muss er vor fremden Einflüssen geschützt werden, wie bestimmte Gruppen der deutschen Gesellschaft fordern?

Grenzen ziehen, Grenzen überwinden, ausgrenzen thematisiert der Künstler auf unterschiedliche Weise. Poller, die sich automatisch im Boden versenken lassen und z.B. Regierungsgebäude oder Botschaften schützen, bilden eine weitere Skulptur. Während die blinkenden Pfeiler herauf- und hinunterfahren, ertönt der Ruf „Wir sind das Volk“ aus Lautsprechern. Einmal sind es Aufnahmen von den Sprechchören der Montagsdemonstrationen, in denen DDR-Bürger 1989 ihre Freiheit forderten. Die andere Tonaufnahme stammt von Pegida-Anhängern. Sie deuteten den Slogan um und demonstrierten damit gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland. „Shifting Values“ lautet der Titel dieser und weiterer Kunstinstallationen.

„Mein Land“ – Der Schriftzug aus Beton und Stahl, umwickelt mit Stacheldraht, in dem der Bundesadler verendet, hängt ebenfalls in diesem Raum. Die Abschottung tötet demokratische Werte wie Freiheit. Die politische Botschaft spricht die Schülerinnen und Schüler der Q2a an.

Das Spiel Manaf Halbounis mit Klischees und Widersprüchen ist ein beliebtes Mittel der Provokation. Ein Gartenzwerg, der den Besucher willkommen heißt, aber sich hinter Stacheldraht verschanzt, veranschaulicht die zwiespältige Haltung der deutschen Gesellschaft gegenüber Fremden.

„What if“ – Was wäre, wenn die Geschichte anders verlaufen wäre? Zu diesem Gedankenspiel lädt Manaf Halbouni die Besucher ein. Wandkarten, auf denen Grenzen willkürlich verschoben und Gebiete auf Arabisch beschriftet sind, eine Ansammlung von Radios, aus denen die Nationalhymnen von Staaten erklingen, die nicht mehr existieren, wie die Tschechoslowakei oder die DDR, sind im dritten Stock der Kunsthalle zu sehen. Die Kunstwerke regen dazu an, den Verlauf der Geschichte als menschengemacht, nicht zwangsläufig zu begreifen.

Was würde ein Sachse einpacken, wenn er fliehen müsste? Mit Gepäck beladene Autodächer regen zu diesem Perspektivwechsel an. Dabei werden durchaus Stereotype bedient. Ein Kasten Bier, ein Spaten und ein Erste-Hilfe-Handbuch – Deutsche, so das Klischee, denken praktisch. „Half Homes“ lautet das Thema in diesem Raum.


„Es geht jetzt darum, wie man miteinander umgeht. Ob man sachlich diskutieren kann. Mein Name ist Manaf Halbouni und ich glaube an eine Welt, in der wir zusammen in Freiheit und ohne Befürchtung leben können.“

Dieses Anliegen beschäftigt auch die Schülerinnen und Schüler. Die Werke von Manaf Halbouni nahmen sie zum Anlass, sich eigene Einstellungen bewusst zu machen und zu hinterfragen.

Text und Fotos: Mechthild Piechotta