E-Mail schreiben

0451-12285700

Ein Abend zum Thema WÜRDE


„Was ein Mensch wert ist, bestimmst du!“  Mit diesem Slogan warb im Januar ein Privatsender für die neueste Staffel einer Reality-Show. Zeitgleich mit dem Auftakt des Gedenkens an die Opfer des Holocaust forderten Plakate die Passanten auf: „Entscheide du, wer einen Stern verdient!“

Mit diesen bewussten Provokationen bringt der Sender die Show ins Gespräch.

Aber: Ist es hinnehmbar, dass um der Einschaltquoten willen, Menschen herabgewürdigt werden? Darf man Menschen bewerten wie ein Hotel oder die letzte Bestellung bei Amazon?

 „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, steht im Grundgesetz.

Doch die Fragen zeigen, so selbstverständlich ist das nicht. Um Menschenwürde muss permanent gerungen werden.

Was WÜRDE eigentlich konkret bedeutet, damit haben sich die Schülerinnen und Schüler der beiden Kunst-Profilklassen aus dem Q1- und Q2-Jahrgang unter der Anleitung ihrer Lehrerinnen Frau Meyer und Frau Schillert auseinandergesetzt.

Die Vernissage, mit der die Ausstellung ihrer Arbeiten zum Thema WÜRDE eröffnet wurde, fand am 11. März statt.

Eröffnet wurde der Abend mit dem finalen Satz der 9. Sinfonie „Freude, schöner Götterfunken“. Das Schiller-Gedicht, das als Text dem berühmten Chorsatz zugrunde liegt, feiert die Brüderlichkeit aller Menschen. Der Komponist Ludwig van Beethoven trat nicht nur in diesem Stück für die unveräußerliche Menschenwürde und die Werte der Französischen Revolution ein. Der Chor unter der Leitung von Tilman Kracke und die Ausstellungsbesucher sangen den Refrain des Chorsatzes, den wir heute als Europa-Hymne kennen, gemeinsam.

Danach führte Kunstlehrerin Dorothee Meyer in das Thema des Abends ein und gab Denkanstöße zu den Fotografie-Reihen, die die Schüler:innen einzeln und in Gruppen erstellt hatten.

Außerdem dankte sie dem Leiter der Kunstschule der Gemeinnützigen, Tim Maertens. Dieser hatte die Veranstaltungsreihe zum Thema WÜRDE:TRÄGER mit Beiträgen unterschiedlicher Institutionen ins Leben gerufen und die Arbeit der Profilklassen begleitet.

Unterstützt wurde Meyer von Melina und Johanna.

Die Einsicht, dass aus dem Recht auf menschenwürdige Behandlung auch Verantwortung für das eigene Handeln erwächst, thematisierten im Anschluss Schüler:innen der Europa-AG.

Sie zitierten einige Artikel der im Jahr 1997 veröffentlichten „Allgemeinen Erklärung der Menschenpflichten“. Diese wurde erarbeitet vom InterAction Council, einem Zusammenschluss ehemaliger führender Staatsmänner aller 5 Kontinente und Glaubensgemeinschaften.

Artikel 1: „Jede Person […] hat die Pflicht, alle Menschen menschlich zu behandeln.“

Artikel 3: „Jeder Mensch hat die Pflicht, unter allen Umständen Gutes zu fördern und Böses zu meiden.“

Artikel 10: „Alle Menschen haben die Pflicht, ihre Fähigkeiten durch Fleiß und Anstrengung zu entwickeln […]“

Artikel 14: „Die Freiheit der Medien bringt eine besondere Verantwortung für genaue und wahrheitsgemäße Berichterstattung mit sich.“

Die hier zitierten Ausschnitte mögen das Anliegen, das die „Declaration of Human Responsibilities“ verfolgt, vermitteln.

Zwischen den Wortbeiträgen gestaltete der Chor die Veranstaltung mit passenden Liedern.

Dann endlich waren die Besucher eingeladen, die ausgestellten künstlerischen Arbeiten zu betrachten und darüber ins Gespräch zu kommen.

Jolina aus der Q1d hatte z.B. einige ihrer Korsetts arrangiert und abgelichtet. Hülle, Halt und Haltung gebend sind Korsetts normalerweise vor den Augen anderer verborgen. Künstlich, künstlerisch, aber gleichzeitig organisch sind Assoziationen beim Betrachten der ausdrucksstarken Arrangements.

Constantin, Lara und Sam hatten ein Panorama von zwei Metern Länge zusammengefügt. Sie lichteten Passanten in der Lübecker Hüxstraße ab, die Wasserflaschen tragen. Wasser gilt ihnen als Lebenselixier und Grundnahrungsmittel, zu dem alle Menschen Zugang haben sollten.

Weitere Fotoarbeiten zeigten, wie die Würde durch körperliche oder seelische Übergriffe verletzt werden kann und dass Würde nicht von der körperlichen Verfassung eines Menschen abhängt. Oskar hatte zum letzten Thema Fotos einer Frau, die Unterarme und -beine durch Amputation verloren hat und mit ihrer Tochter schmust, veröffentlicht. Die Innigkeit zwischen Mutter und Kind und dessen uneingeschränkte Liebe berührten die Ausstellungsbesucher besonders.

Die Schüler:innen des Q2-Jahrgangs zeigten Skulpturen als Ergebnisse ihrer Beschäftigung mit dem Thema WÜRDE. Die kleinen Metallobjekte fanden viele Bewunderer.

Die Besucher blieben lange, um eigene Assoziationen zu äußern, sich die Entstehung der Werke erklären zu lassen und über deren Aussage zu diskutieren.

Text: Mechthild Piechotta

Fotos: Martin Salomon sowie Ela und Annabell von der Journalismus-AG