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„Für eine Zukunft nach Tschernobyl und Fukushima“


Am 29.10.21 haben sich knapp 100 Schülerinnen und Schüler des E-Jahrgangs in der Aula versammelt, um im Rahmen der internationalen Aktionswochen „Für eine Zukunft nach Tschernobyl und Fukushima“ mit Betroffenen der Atomkatastrophen zu sprechen.

Die durch die Heinrich-Böll-Stiftung ermöglichte Veranstaltung besteht aus allgemeinen Vorträgen, Filmen und Zeitzeugenberichten eines japanischen Liquidators aus Fukushima, einer ehemaligen Bewohnerin Prypjats und einer Ärztin aus Kharkov. Die geplante Delegation aus Belarus konnte, aufgrund der dortigen politischen Situation, leider nicht vor Ort sein.

Nach den einleitenden Worten von Herrn Kastranek, dem verantwortlichen Vertreter der Heinrich-Böll-Stiftung, wurden die Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima in einem Film dargestellt und die bis heute sichtbaren und unsichtbaren Auswirkungen aufgezeigt. Er endete mit einem positiven Ausblick auf die erneuerbaren Energien, die als Gegenentwurf zu der gefährlichen Nuklearenergie gepriesen werden.

Um einen Überblick über den Diskussionsgegenstand zu erhalten, wurden die technischen Besonderheiten der Atomkraftwerke von Herrn Dr. Sieckmann-Joucken herausgestellt. Dies verdeutlichte, was an ihnen problematisch war. Zudem wurde auf den Fallout, seine Ausbreitung und die Folgen für die von ihm betroffenen Menschen berichtet.

Anschließend berichtet die ukrainische Zeitzeugin Tatjana Semenchuk, wie sie den 26. April 1986 erlebte. Sie schildert, dass sie weißen Dampf aus dem Reaktor aufsteigen sah, ohne zu wissen, was dort vor sich ging. Da die sowjetische Regierung den Zwischenfall geheim hielt, lebten sie und die übrigen Bewohner Prypjats zwei weitere Tage lang ihr Alltagsleben. Auch wenn keine offiziellen Informationen veröffentlicht wurden, war es ihr bereits am 26. April nicht mehr möglich, die Stadt zu verlassen, da diese abgeriegelt war. Erst am 27. April 1986 erfuhren sie von den Plänen, dass sie alle evakuiert werden würden. Sie glaubten, ihre Heimat nur kurz verlassen zu müssen, und waren deswegen auch nicht darauf vorbereitet, dass sie nie wieder zurückkommen durften. 

Die Laborärztin Natalija Tereshchenko wurde aus dem ca. 460 km entfernten Kharkov nach Tschernobyl gebracht, ohne zu wissen, was dort auf sie zukam. Sie musste in einem 9 km vom Reaktor entfernten Krankenhaus zwei bis dreihundert Blutproben analysieren und die Leukozyten zählen. Sie trug ihren normalen Arztkittel, den sie abends selber per Hand waschen musste. Sie wusste zunächst gar nicht, in welcher Gefahr sie sich befand. Mit der Zeit fielen ihr und dem Team aus 54 Ärztinnen aber immer mehr Dinge auf, die ihnen langsam die Augen öffneten. „Die Kantine, in der wir verpflegt wurden, und der Ort, an dem wir unser tägliches Schwitzbad nehmen mussten, lagen außerhalb des Krankenhauses. Am Weg dorthin bemerkten wir, dass das Gras abnormal dicht und grün war. Die Hühner im Hof legten ungewöhnlich viele und übergroße Eier. Eines Tages freuten wir uns über ein paar flauschige gelbe Küken. Am nächsten Tag lagen alle tot in der Wiese.“  Die gesundheitsschädlichen Auswirkungen machten auch nicht vor ihrem Team Halt, von dem heute noch drei Personen leben.

Der Liquidator aus Japan berichtete über seinen Einsatz in Fukushima Daiichi. Seine Aufgabe bestand darin, die Wasser- und Stromleitungen des zerstörten Kühlsystems am Reaktor zu reparieren. Hierbei war er innerhalb von nur vier Stunden einer Strahlenbelastung ausgesetzt, die so hoch war, wie die zulässige Jahresdosis. Um zu gewährleisten, dass die dortigen Arbeiter keine zu hohe Strahlendosis erlitten, mussten sie immer ein Dosimeter mit sich führen, das ihre Belastung überwachte. Als Ausblick erzählte er, dass die Abrissarbeiten von Fukushima Daiichi mindestens bis ca. 2051 andauern werden. Alleine die Brennstäbe werden seit 2013 und bis ca. 2028 entfernt. Seiner Aussage nach dauert der Abriss deswegen so lange, weil man, im Gegensatz zu Tschernobyl, in Fukushima versucht, den Reaktor ordnungsgemäß auseinanderzubauen. Zudem ging er auf die Anti-AKW-Bewegung in Japan und ihre Ziele ein.

Alle drei standen den Schülerinnen und Schülern Rede und Antwort, wobei besonders der offene Umgang mit den körperlichen und psychischen Folgen der Katastrophe sehr beeindruckend war.

Die Veranstaltung fand ihren Abschluss in der Videobotschaft eines japanischen Mädchens, das von ihrer Evakuierung im Zuge des Unglücks von Fukushima berichtete. 

Text: Fritz Mader

Fotos: Lennart B., Klasse Ea