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Bedenke, dass du sterben wirst – Die Q1a besucht die Ausstellung zum Barock im Grass-Haus


„Grass, Kehlmann und die Welt des Barocks“ ist die aktuelle Ausstellung betitelt, die die Q1a am Dienstag, d. 29.10.2019, in Begleitung von Frau Jebens und Frau Piechotta besuchte.

Im Deutschunterricht hatte sich die Klasse zu Beginn des Schuljahres mit der Lyrik des Barocks auseinandergesetzt und sich auch historisches Wissen zum Dreißigjährigen Krieg angeeignet. Die Schülerinnen und Schüler waren also gut auf die Führung durch Frau Maren Müller, Germanistin und Kunsthistorikerin, vorbereitet und konnten ihr Wissen vertiefen, indem sie inhaltlich kompetente Fragen stellten.

„Vanitas“ (Alles ist vergänglich!), „Memento mori“ (Bedenke, dass du sterben wirst!) und „Carpe diem“ (Nutze den Tag!) sind drei wesentliche Motti dieser Zeit, die von Krieg und Plünderungen, Hungersnöten und Pest bestimmt war und große Not, aber auch Seelenpein über die Menschen brachte.

Die Kuratoren haben den großen Bogen vom Barock über den Zweiten Weltkrieg zur Gegenwart mit drei großen Spiegelbildern geschlagen, die zerstörte Städte zeigen: Magdeburg, das 1631 geplündert und dessen Bevölkerung grausam massakriert wurde, Dresden, das am 13. Februar 1945 dem Bombenangriff der Alliierten zum Opfer fiel, und Aleppo in Syrien, das im jetzt noch tobende Bürgerkrieg bombardiert wurde.

Die literarische Verknüpfung gelingt durch drei Romane. Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1622-1676) schildert in seinem Werk „Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch“ (1668/69) aus der Perspektive des einfältigen Simplicissimus die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges, aber auch die Lustbarkeiten, denen sich die Menschen hingaben. Günter Grass (1927-2015) knüpft mit einem fiktiven Dichtertreffen in seinem Roman „Das Treffen in Telgte“ (1979), der während der Friedensverhandlungen am Ende des Dreißigjährigen Krieges spielt, an die Bestrebungen der barocken Dichter an, die deutsche Sprache zur Blüte zu bringen und Regeln für die Dichtkunst aufzustellen. Daniel Kehlmann (geb. 1975) versetzt in „Tyll“ (2017) den mittelalterlichen Schalksnarren in die Zeit des Barocks und konfrontiert seinen Protagonisten mit Hexenprozessen, Kriegsgräueln und dem armseligen Exilleben des gescheiterten Königs von Böhmen, des „Winterkönigs“ Friedrich II.

Über die Figur des Narren wird eine weitere Beziehung zwischen den drei Autoren hergestellt: Bei Günter Grass ist es Oskar Matzerath in der „Blechtrommel“ (1959), der den Menschen in der NS-Zeit den Spiegel vorhält.

Bei unserem Besuch sollte es vor allem um die Emblematik des Barocks gehen. Und so beschrieben wir zunächst das Titelblatt des Grimmelshausen-Romans. Im oberen Feld steht beim Emblem der Titel oder das Motto, das dann in der Mitte durch ein Bild veranschaulicht und im unteren Feld erklärt wird. Simplicissimus wird hier als Mischwesen dargestellt, ist am Körper und Gesicht als Mensch erkennbar, hat aber Hörnern am Kopf, einen Enten- und Pferdefuß sowie einen Fischschwanz und Flügel. Das Buch, das er in der Hand hält, weist auf die Fülle der Welt. Die vielen Einzelheiten entdeckt man erst bei näherem Hinsehen und sie könne mit Hilfe der barocken Symbolik entschlüsselt werden.

Sehr schön wurde in der Ausstellung ein üppiges Stillleben präsentiert – ein Genre, das die Maler im 17. Jahrhundert immer wieder aufgegriffen haben, um „Vanitas“, „Memento mori“ und „Carpe diem“ bildnerisch zum Ausdruck zu bringen. Zentral ist hier die Symbolik der einzelnen Elemente, die im Grass-Haus mit Karten entschlüsselt werden können. So steht der Apfel für den Sündenfall, der Schmetterling für die Auferstehung; die Blumen verkörpern u.a. die schnell verwelkende Pracht, die Bücher nutzlosen Zeitvertreib oder auch Belehrung und Erbauung.

Der Theorie folgte die Praxis: Die Schülerinnen und Schüler sollten aus einer großen Anzahl von Gegenständen ein Stillleben zusammenstellen und anschließend ihr gewähltes Motto erläutern. Das war eine Aufgabe, die allen Freude bereitete. Wohl wegen der intensiven Beschäftigung mit dem Zeitalter des Barocks verschmähten Til und Elija weitgehend die modernen Gegenstände. Ihre Ergebnisse fanden großen Anklang,

Im Seminarraum ging es dann mit praktischen Übungen weiter: Hier sollte in Gruppenarbeit ein Emblem zu den erwähnten Motti entworfen werden, wobei die Zeit aber nicht mehr ausreichte, die Erläuterungen zum Bild niederzuschreiben. Hier zeigen wir zwei Ergebnisse des Workshops: Die Uhr mit Rose und Kerze als Zeiger verdeutlicht die „Vanitas“ als verrinnende Zeit und der Blick der schönen Frau in den Spiegel, der ihr das Gerippe widerspiegelt, appelliert an den Betrachter: „Bedenke, dass du sterben wirst!“

Nach dem Ende der Führung und des Workshops sahen wir uns noch das Video mit dem Interview an, das Jörg-Philipp Thomsa, der Leiter des Grass-Hauses, mit Daniel Kehlmann führte. Der Autor zeigt sich ganz begeistert von der Ausstellung und gibt Auskunft darüber, wie er in seinem Roman mit den Hexenverfolgungen des 17. Jahrhunderts umgegangen ist, wie sich die Zusammenarbeit mit der Lektorin und mit dem Verleger gestaltete und wie er schreibt. Ein Exponat zeigt das Heft, in dem er Teile des Werks handschriftlich niedergeschrieben hat.

In der Nachbesprechung zeigte sich die Q1a sehr angetan von der interessanten Führung und lobte insbesondere den praktischen Teil, der alle Unterrichtsinhalte noch einmal veranschaulicht hätten. Die Klasse bedauerte, dass die Zeit nicht ausreichte, um sich intensiver mit Günter Grass zu beschäftigen. „Das müssen wir noch einmal hin!“, war die einhellige Meinung. Und diesen Besuch bereiten wir dann mit der Lektüre eines Grass-Werkes; hier schließen mit dem „Momento mori“ (1986) von Günter Grass.

Wir danken Frau Müller für die interessante Gestaltung dieses Vormittags!

Text und Fotos: Sabine Jebens-Ibs