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„AchtergrundSnack „Was macht Europa? – die Q1b im Gespräch mit dem Europa-Abgeordneten Niclas Herbst


Der Europa-Abgeordnete Niclas Herbst aus Schleswig-Holstein ist Mitglied der CDU und gehört im Europäischen Parlament zur Fraktion der Europäischen Volkspartei. Am Montag, den 22. März folgten die Schülerinnen und Schüler des Wipo-Profils der Q1b der Einladung der Europa-Union Schleswig-Holstein zu einem Hintergrundgespräch mit dem Politiker. Moderiert wurde die Online-Veranstaltung von dem stellvertretenden Präsidiumsmitglied Enrico Kreft.

Niclas Herbst berichtete zunächst von seiner Arbeit im Haushaltsausschuss, der maßgeblich an der Erstellung des siebenjährigen Finanzrahmens der EU beteiligt ist. Die Mittel – in den kommenden sieben Jahren sind es 1 Billionen Euro – über deren Verwendung das Parlament entscheidet, stammen aus den Beiträgen der Mitgliedstaaten und machen in etwa das Doppelte des Haushaltes der Republik Österreich aus. Dazu kommen in diesem Jahr 750 Mrd. Euro, die schuldenfinanziert sind und mit denen die Pandemiefolgen in den Mitgliedsstaaten abgefedert werden sollen. Niclas Herbst kritisierte im Laufe des Abend mehrfach, dass diese Unterstützung zwar von der Solidarität in der Union zeuge, aber kein europäischer Mehrwert damit verbunden sei. Er halte eine Verwendung, für Programme, mit denen die Europäische Union stärker zusammenwachse und zukunftsfähig gemacht werde, für sinnvoller. Die Mittel sollten seiner Meinung nach z.B. für das gemeinsame Forschungsprogramm Horizon, die Digitalisierung oder Erasmus+ verwendet werden.

Ein anderes Thema, auf das Niclas Herbst einging, war die Haltung gegenüber China. Das Investitionsabkommen habe seines Erachtens für die EU eine höhere Verbindlichkeit. Er rechne nicht damit, dass sich die chinesische Staatsführung an die dort verankerten Regeln z.B. zum Arbeitsschutz halte. Er sehe eher die Gefahr, dass der inländische Markt abgeschottet werde gegen die Konkurrenz aus der EU, gleichzeitig die wirtschaftliche Durchdringung anderer Weltregionen aber weiter betrieben werde. Unter diesem Gesichtspunkt solle die Europäische Union eine Beitrittsperspektive für Länder des Balkans wie Albanien schaffen, um sie nicht dem chinesischen Einfluss in die Arme zu treiben.

Herbst ging außerdem auf den Austritt der ungarischen Konservativen der Fidesz-Partei aus der EVP-Fraktion im EU-Parlament ein. Damit seien die Abgeordneten ihrem Ausschluss aus der Fraktion zuvor gekommen. Diesen habe auch er mitgetragen, aber dem Brexit sei der Austritt der Torys aus der EVP voraus gegangen und er hoffe, dass sich Ungarn nicht ebenfalls von der EU abwenden wolle. Herbst warb für Verständnis unter den Zuhörern für die mittel- und osteuropäischen Staaten. Deutsche neigten manchmal zur Überheblichkeit und verstünden zu wenig die historischen und kulturellen Besonderheiten dieser Gesellschaften.

Zum Schluss formulierte Jan zwei Fragen an den Politiker. Er wollte wissen, ob Niclas Herbst das Einstimmigkeitsprinzip auch in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik befürworte. Herbst bejahte das. Insgesamt habe gerade die Impfstoffbeschaffung gegen das Coronavirus gezeigt, dass die Nationalstaaten zu viel Mitsprache hätten und Entscheidungen verzögerten. Er befürworte Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit in allen Politikbereichen, ein Initiativrecht des Europäischen Parlaments und mehr Eigenmittel der EU, z.B. aus einer Plastiksteuer, dem CO2-Zertifikatehandel, einer Carbonbordertax oder einer Finanztransaktionssteuer, um die EU effizienter und einflussreicher zu machen, sagte Herbst.

Enttäuscht waren die Schülerinnen und Schüler zu hören, dass es keine Jugendkammer oder eine andere Institution gibt, in der Jugendliche Einfluss auf Entscheidungen des Parlaments nehmen können. Mit dem Europäischen Bürgerbegehren werden sie sich noch im WiPo-Unterricht auseinandersetzen. Dazu reichte an diesem an Informationen reichen Abend die Zeit dann nicht mehr. Dieses und viele weitere Themen, wie die Fischereipolitik, der Einfluss von Lobbygruppen oder die Agenturen European Center for Disease Control oder Frontex, werden im Laufe der nächsten Wochen noch aufgearbeitet und in einen größeren Kontext eingebettet. Die Schülerinnen und Schüler äußerten sich am nächsten Tag sehr positiv über die Veranstaltung, die ihnen einiges an Konzentration abverlangte:

„Dadurch, dass es keine Pressekonferenz oder TV-Sendung war, fand ich die Fragerunde viel persönlicher und ehrlicher.“  Lene

„Seine Meinung über die Finanz- und Haushaltspolitik ist momentan ein wichtiges Thema und da find ich es gut, dass er davon überzeugt ist, dass Corona-Hilfsgelder und auch der Mehrjahreshaushalt einen europäischen Mehrwert schaffen sollen. Diese Gelder sollten in Digitalisierung, Forschung, Entwicklung… fließen. Trotz Corona muss die EU in die Zukunft investieren.“ Rijke

„Was mir persönlich besonders gut gefallen hat, war, dass Niclas Herbst sehr ehrlich war und zu jedem Thema seine persönliche Meinung preisgegeben hat.“ Isa

„Am spannendsten fand ich aber seine Sicht zu den China-Sanktionen und inwiefern das ein gewagter Schritt ist.“ Ben

„Persönlich weiß ich bereits viel über den Job eines Abgeordneten in der Europäischen Union, da meine Oma die letzten 12 Jahren dort Abgeordnete war. Trotz des Vorwissens ist es natürlich immer interessant, andere politische Meinungen zu Themen zu bekommen, die ganz Europa betreffen.“ Lukas

„Mir hat sehr gefallen, dass Niclas Herbst so authentisch gewirkt hat und auch ehrlich über die Probleme im Parlament, die er selbst sieht, berichtet hat.“ Michel

„Es ist schade, dass sich Jugendliche nicht aktiv im Parlament beteiligen können, obwohl sie die Zukunft der EU sind. Für mich wäre es auch viel demokratischer, wenn auch wir etwas in der EU bewirken könnten und unsere Meinungen einbringen könnten. Das war für mich eine wichtige Erkenntnis von der Veranstaltung, da mir vorher nicht so bewusst war, dass die Jugend so wenig machen kann.“ Marie

Text: Mechthild Piechotta